Altmännergespräche

August 2, 2012

Von Felix Feigenwinter

Im Rahmen der Fernsehsendung „Heute abend in…“ diskutierten kürzlich Politiker und Experten über die Probleme rund um die Planung der nächsten schweizerischen Landesausstellung, die voraussichtlich 1991 stattfindet. Unter den sich hartnäckig streitenden Männern – die ebenfalls anwesende Schwyzer Nationalrätin Elisabeth Blunschy kam als einzige Frau ausser Heidi Abel (Moderatorin) nur kurz zu Wort – erkannte man Dr. Markus Kutter aus Basel, den erfolgreichen Werbepionier, Historiker, Schriftsteller und unkonventionellen Ideenlieferanten für verschiedene Angelegenheiten. Wer von Kutter Originelles innerhalb des sich im grossen und ganzen recht urchig abwickelnden Streitgesprächs erwartet hatte, wurde nicht enttäuscht: Der Basler wies darauf hin, dass es anochronistisch und somit wenig sinnvoll sei, die in über zehn Jahren vorgesehene Landesausstellung an ihren Vorgängerinnen von 1939 („Landi“) und 1964 („Expo“) zu messen; Nostalgie sei zur Planung der in ein neues Jahrtausend weisenden Veranstaltung wenig nütze. Kutter charakterisierte diesbezügliche schwärmerische Versuche barsch als „Altmännergespräche“. Bei der nächsten „Landi“ gehe es doch darum, „den Rekruten von 1991“ (so Kutter) zu zeigen, was die Schweiz ist und wohin sie steuere.

Sie haben richtig gelesen, liebe (im Jahr 1979 lebende) Schweizerinnen: Einer der fortschrittlichsten Diskussionsteilnehmer bezeichnete das 1991 anzusprechende repräsentative Zielpublikum als „die Rekruten“, also die heute vor sieben, acht Jahren geborenen jungen Schweizer männlichen Geschlechts. Den weiblichen Bevölkerungsteil, der erst seit dieser Zeitspanne dank Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen politisch gleichwertig ist und gegenwärtig mit einem neuen Ehegesetz auch zivilrechtlich emanzipiert werden soll – diese jungen Schweizerinnen hat Kutter einfach vergessen. Als ob sich seit der Einführung der beiden letzten Landesausstellungen für die weibliche Bevölkerung nichts Entscheidendes geändert hätte und der Begriff „Schweizer Bürger“ (wie anno 1939 und 1964) mit „Schweizer Männern“ (beziehungsweise „Rekruten“) gleichzusetzen wäre. So scheint sich das „Altmännergespräch“ der „Landi 1939“- und „Expo 1964“-Nostalgiker von jenem des damit unzufriedenen Basler Kritikers doch kaum zu unterscheiden. Oder setzt es Kutter als selbstverständlich voraus, dass bis anno 1991 die obligatorische Militärdienstpflicht für Schweizerinnen eingeführt ist? Dann würden unter den Begriff „Rekruten“ tatsächlich Männlein und Weiblein fallen (was nicht unbedingt im Sinne der die Gleichberechtigung, aber nicht Gleichschaltung anstrebenden Frauen wäre).

Sei’s wie’s will. Dass eine „Landi 1991“ in keiner Weise mehr an den Frauen vorbeisehen kann, dürfte mindestens jüngeren Männern – und in erster Linie natürlich den jungen Frauen selbst – schon heute als simple Selbstverständlichkeit erscheinen. Es sei denn, sie messen Ayatollah Khomeinis gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Einflüssen für die Zukunft enorme grenz- und kontinentüberschreitende Wirkung bei…

(Erschienen im Dezember 1979 im Basler „doppelstab“)

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